Kann man Mode und Aktivismus miteinander verbinden?
Auf jeden Fall: Mode und die Art, wie wir uns kleiden, sind der erste visuelle Ausdruck unserer Ansichten.
Mode kann für uns sprechen, noch bevor wir den Mund aufmachen. Sie kann Leuten ein Gefühl vermitteln. Unsere Kleidung kann je nach Look, Materialität und Zusammenstellung durchaus aktivistisch eingesetzt werden und aufsässig sein.
Würdest du sagen, deine Designs sind eine Art Manifest? Falls ja, was möchtest du mit ihnen aussagen oder zeigen?
Meine Arbeit ist ein Manifest und spiegelt meinen persönlichen transnationalen Migrationshintergrund und Lifestyle wider. Ich möchte eine Welt vorantreiben, die keine Grenzen kennt, gewaltfreier ist und sich anderen Kulturen gegenüber offener zeigt. Meine Arbeit repräsentiert und demonstriert die positiven Aspekte, die ich aus dieser transnationalen Lebensart ziehe und deren Umsetzung ich mir für die ganze Welt wünsche.
Mit meinen Designs möchte ich Vorurteile aufbrechen.
Welche Rolle kann Mode spielen, wenn es darum geht, Vorurteile zu bekämpfen und kulturelle Unterschiede zu akzeptieren?
Mode kann ein sehr wichtiges Element auf dem Weg zur Akzeptanz sein. Ich finde, Mode sollte weg von Trends gehen und die Menschen auf der ganzen Welt eher dazu ermutigen, unabhängigere modische Entscheidungen zu treffen. Dadurch würde eine öffentliche Realität geschaffen werden, in der es normal wäre, unangepasst zu sein. Wir wären alle daran gewöhnt, unterschiedlich auszusehen, was hoffentlich zu weniger Vorurteilen führen würde.
Wie hat die Zeit am Central Saint Martins deine Arbeit beeinflusst? Warum hat diese Hochschule weltweit solch einen guten Ruf?
Primär deshalb, weil man von den größten Talenten überhaupt umgeben ist, seinen Kommilitonen und Lehrenden. Der Masterstudiengang am CSM ist ein Schmelztiegel verschiedener Nationalitäten und Hintergründe. Jeder hat einen anderen Bachelorabschluss und kommt von einer anderen Hochschule. Dadurch entstehen spannende Gespräche und unterschiedliche Standpunkte, und doch studieren alle an der gleichen Hochschule. Das bedeutet für mich, dass wir in unseren Unterschieden auch Gemeinsamkeiten feststellen können. Im Kern macht das meine Arbeit aus. Die Hochschule hat es mir ermöglicht, diesen Teil von mir ausgiebig zu erkunden und zu vertiefen und so meine beste und authentischste Arbeit abzuliefern.
Was fandest du bei deinen Recherchen im Archiv von BIRKENSTOCK am interessantesten und wie hat dies deine Designs beeinflusst?
Ich war fasziniert von der Technologie und Zusammensetzung des legendären Kork-Latex-Fußbetts. Es bildet die Grundlage von BIRKENSTOCK und ist die Basis, auf der man beim Tragen der Sandale steht. Ich habe sofort gespürt, dass sie mein Ausgangspunkt für meinen Designprozess sein sollte.
Dein Schuh wurde vom legendären BIRKENSTOCK Kork-Fußbett inspiriert. Was an diesem Teil des Schuhs hat deine Fantasie angeregt?
Mich hat die praktische Schönheit inspiriert. Sein Design basiert auf der natürlichen Form unserer Füße. Ihrem Abdruck und den verschiedenen Ausprägungen. Das Fußbett besteht aus zwei Formen, die in meinen Augen mühelos ästhetisch sind. Es erschien mir unausweichlich, sie von unter dem Fuß hervorzuholen und die charakteristische Sohle, auf der BIRKENSTOCK aufbaut, in den Mittelpunkt zu stellen. Ich wollte einen gepolsterten Schaft kreieren, der zum Fußbett passt und es dadurch in Szene setzt.
Eine deiner Vorlagen war die Idee eines Fußabdrucks im Sand. Der Strand hat so viele positive Konnotationen – würdest du sagen, dass dein Schuh die Ideen der Flucht, der Freiheit und des Optimismus erkundet?
Mein Schuh steht für Optimismus und Freiheit. Ich würde meine Lebenshaltung als optimistisch beschreiben, weshalb ich auch in meiner Arbeit versuche, optimistische Lösungen zu bieten. Für mich ergibt es keinen Sinn, etwas zu designen, das im Negativen bleibt. Ich nutze den negativen Raum auf positive Art und Weise. Ich sehe diesen Schuh jedoch nicht als eine Flucht, eher als optimistischen Realismus. Der Abdruck erinnert an unseren ökologischen Fußabdruck, macht auf unseren Umwelteinfluss aufmerksam und zeigt BIRKENSTOCK als eine Marke, die alle Bestandteile ihrer Schuhe weiterhin in Deutschland produziert und alle Materialien aus Europa bezieht. Daran sollten wir uns alle ein Beispiel nehmen. Dieses Design zelebriert natürliche Schönheit und Form – ich denke, auf genau diesen Eigenschaften basieren die praktischen und erfolgreichen Modelle von BIRKENSTOCK.
Welchen Stellenwert sollten Komfort und Funktionalität in der Mode einnehmen?
Von einem funktionalen Standpunkt aus ist Komfort sehr wichtig in der Mode. Kleidungsstücke sollen getragen werden und ihre Aufgabe erfüllen. Ich sehe Komfort aber auch als einen emotionalen Aspekt im Designprozess. Wie fühlst du dich in einem Kleidungsstück und wie verhältst du dich, wenn du es trägst? Ist es ein passender Ausdruck von dir und deinen Gefühlen? Es sollte betonen, wofür du stehst. Für mich sollte Komfort fester Bestandteil des Designkonzepts und Manifests sein. Mode sollte den Ausdruck unserer selbst unterstützen.
Welche Hoffnungen hast du für dich und deine Kollegen als neue Designergeneration?
Für mich als Designerin, die Ende März ihren Abschluss gemacht hat, waren die Covid-19-Krise und der Lockdown ein Glück im Unglück. Diese Krise wird die Welt und unser Verhalten nachhaltig verändern. Ich glaube, dass diese Situation uns jungen Designern die bisher nicht gekannte Möglichkeit bietet, uns auf neue Art und Weise in dem veränderten Markt zu etablieren. Wir können in diesen turbulenten Zeiten neue Konzepte und Designs präsentieren und den bestehenden Status quo der massenproduzierten, kapitalistischen Wegwerf-Artikel und des unaufrichtigen Verhaltens infrage stellen. Die aktuelle Situation bestätigt, dass es Raum für kleinere Formate gibt. Meine persönliche Zukunft sehe ich als eine Designerin, die eher wie eine Künstlerin arbeitet. Ich hoffe, dass ich Projekte und Kollaborationen haben werde wie diese mit BIRKENSTOCK, einzigartige Kreationen entwerfe und bewusst arbeite, indem ich weniger und dafür bedeutungsvollere Kollektionen herstelle.