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JEDE REVOLUTION FÄNGT MIT EINEM FUNKEN AN
ACHTERBAHNFAHRT AUF DER SUCHE NACH BESSEREM HALT
VON BAUHAUS ÜBER BRUTALISMUS BIS … ZUR ARZTPRAXIS?
DIE ENTSTEHUNG EINER STILIKONE
SANDALEN ALS SYMBOL
IM NAMEN DES KOMFORTS

EINE REVOLUTION IN DER SCHUHINDUSTRIE

Von Experimenten bis hin zu gegenkultureller Symbolik – so half BIRKENSTOCK der Welt, so zu gehen, wie es die Natur gewollt hat.

JEDE REVOLUTION FÄNGT MIT EINEM FUNKEN AN

Das Schuhmacherhandwerk wurde von Generation zu Generation weitergereicht, bevor Konrad Birkenstock 1897 BIRKENSTOCK als Gesellschaft mit beschränkter Haftung eintragen ließ. Konrad war damals gerade einmal 24 Jahre alt, hatte aber bereits jahrelange Erfahrung als Lehrling hinter sich.

Der junge Birkenstock war nicht nur daran interessiert, das Familienunternehmen weiterzuführen – er war auch ein Innovator mit einer neuen Sichtweise auf Schuhe, wobei er der Fußanatomie große Beachtung schenkte. Und wie sich im Laufe der Zeit herausstellen sollte, war er mit seiner Denkweise nicht allein.

Birkenstock Schulung.

Ende des 19. Jahrhunderts kam in Deutschland und in der Schweiz die Lebensreformbewegung auf. Ihre Befürworter glaubten an ein Leben im Einklang mit der Natur und lehnten den Materialismus und die ihrer Meinung nach unnatürlichen Zwänge der modernen Welt ab. Ein solcher Befürworter, Albert Hoffa, veröffentlichte eine Broschüre mit dem Titel „Der menschliche Fuß und seine Bekleidung“, in der er den „unberührten“ Zustand des Fußes mit den Schäden verglich, die durch das Tragen ungeeigneten Schuhwerks verursacht wurden. Seine Ideen faszinierten Schuhmacher in ganz Deutschland und inspirierten sie dazu, mit Designs zu experimentieren, die der natürlichen Form des menschlichen Fußes ähnlicher waren.

Auftritt des jungen Konrad. Er beschloss, die Reichweite seiner orthopädischen Experimente zu erweitern, indem er eine orthopädische Einlage entwickelte, die mit seinem anatomischen Leisten (die Holzformen, um die herum Schuhe hergestellt werden) kombiniert werden konnte. So entstand das, was er als „Gesundheitsschuhe“ bezeichnete. Experimente brauchen jedoch ihre Zeit.

ACHTERBAHNFAHRT AUF DER SUCHE NACH BESSEREM HALT

Sieben Jahre später, im Jahr 1909, begann Konrad Birkenstock, den Begriff „Fußbett“ in der Werbung für zwei seiner Produkte zu verwenden. Diese ergonomischen Designs wurden in vorhandene Schuhe integriert und verliehen diesen jene Form, die den Fuß stützt und das körperliche Wohlbefinden fördert. Das Design des Fußbettes wurde aus Pappe hergestellt, gemischt mit Teer oder Gummi. Später wurden Teile aus Kork und Kunststoff hinzugefügt, um das Gewicht der Einlage selbst zu verringern.

Tatsächlich hat Konrad mehr als zehn Jahre lang an der Materialmischung für seine flexiblen Einlagen herumgetüftelt. Dieser Fokus hatte jedoch auch seinen Preis. Er war so sehr mit diesen Experimenten beschäftigt, dass er die kommerzielle Seite seines Unternehmens vernachlässigte, woraufhin seine Familie in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Dies zwang sie 1915 dazu, von Frankfurt am Main nach Friedberg zu ziehen, wo Konrad seine erfinderische Tätigkeit an den Einlagen mit Unterstützung seiner Frau Elisabeth und seines ältesten Sohns Carl fortsetzte.

Birkenstock Feldarbeit, 1965.

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs arbeitete Konrad in der orthopädischen Abteilung des Krankenhauses Friedrichsheim, nachdem er nur knapp dem Einsatz an der Front entging. Während seiner Zeit dort konnte er sich intensiv mit Fußschäden und deren Behandlung befassen. Diese Erfahrung half ihm, mehr Vertrauen in die Überlegenheit seiner Einlagen zur Behandlung orthopädischer Beschwerden gegenüber den damals im medizinischen Bereich verwendeten Metalleinlagen zu gewinnen.

Diese ergonomischen Designs, deren Form den Fuß auf eine Weise stützen, die das körperliche Wohlbefinden fördert, ebneten den Weg für die Entwicklung der Einlagen seines Sohnes Carl. Doch wie die Birkenstocks bald feststellen mussten, lässt sich mit der Funktionalität allein die Welt der Schuhmacherei nicht verändern. Auch auf die Form kommt es an.

VON BAUHAUS ÜBER BRUTALISMUS BIS … ZUR ARZTPRAXIS?

Der anhaltende Einfluss von Bauhaus hinterlässt bis heute unverkennbare Spuren in der Gestaltung unseres Alltags. Da die Bewegung die Ansicht vertrat und nach wie vor vertritt, dass die Ästhetik und Form eines Objekts oder Produkts von seiner Nützlichkeit bestimmt werden sollte, ist es nicht verwunderlich, dass die Birkenstocks vom Bauhaus angezogen wurden.

Im Jahr 1936 ließ sich Carl vom Erbe Birkenstocks leiten und entwarf, wahrscheinlich unter dem Einfluss der Bauhaus-Bewegung, den von ihm so genannten „Idealschuh“. Das Konzept ermöglichte zwar den bestmöglichen Schuh für Kunden (mit Einlagen, die sich natürlich an die Füße des Einzelnen anpassen), für die Umsetzung des Designs aber mussten Schuhgrößen in mehreren Varianten (etwa neun Varianten statt einer modernen Größe) als Vorratsbestand für die Vertriebsmitarbeiter gehalten werden. (Nicht gerade ideal, wie es sich herausstellte. Mehr dazu jedoch später.)

Das Handwerk blieb eine Quelle der Inspiration – diesmal war Carls Sohn, Karl Birkenstock, an der Reihe. Der Einfluss des Brutalismus reichte in den 1960er Jahren weit über die Architektur hinaus und machte sich in allen Bereichen des Designs und der Kultur bemerkbar, darunter auch bei der BIRKENSTOCK Original-Sandale mit integriertem Standardfußbett. Aber wie in der Kunst und beim Handwerk auch, liegt die Schönheit in der Mode im Auge des Betrachters.

Karl Birkenstock.

Karl wurde 1963 auf der Schuhmesse in Düsseldorf vorgestellt und nicht gerade mit Begeisterung aufgenommen. „Noch nie zuvor wurde ein Unternehmen von den Besuchern so gemieden wie wir“, sagte er über die Veranstaltung. Davon unbeirrt schrieb Carl Briefe an Ärzte, in denen er die gesundheitlichen Vorteile der MADRID Sandalen darlegte. Die Nachricht verbreitete sich bald über orthopädische Kreise hinaus in der gesamten Gesellschaft. Durch den sich wandelnden Lebensstil des 20. Jahrhunderts hatten Menschen mehr Freizeit, die sie größtenteils zu Hause verbrachten. Für diesen wachsenden Markt rückte Komfort an erste Stelle, und BIRKENSTOCK Sandalen waren die naheliegende Wahl. Der Anstieg der Verkaufszahlen bestätigte das eindrucksvoll.

Die Entstehung einer Stilikone

Mit dem Herannahen des 200-jährigen Jubiläums der Schuhmachertradition von BIRKENSTOCK machte sich Karl Birkenstock 1974 daran, zur Feier dieses Meilensteins eine neue Sandale zu entwerfen. Sein Ziel war es, eine atmungsaktivere Alternative zu ZÜRICH mit dicken Riemen zu entwerfen, die dem Fuß jedoch einen stärkeren Halt im Fußbett bietet als MADRID mit Einzelriemen. Die so entstandene ARIZONA (damals Geschlossenes Modell genannt), die wie ein klobiger Doppelriemen aussah (eine wiedergeöffnete ZÜRICH mit dicken Riemen), war ein besonderer Hit in Kalifornien, wo ihre schnörkellose Zweckmäßigkeit und geschlechtsneutrale Ästhetik den Idealen der aufkeimenden Hippie-Bewegung entsprachen. Heute ist sie das meistverkaufte Design von BIRKENSTOCK. Ihre Anziehungskraft reicht dabei weit über die Gegenkulturbewegungen hinaus, die der Marke einst zu neuen Höhenflügen in den USA verhalfen. „Sei es in der Mode, Kultur oder Hollywood, das Kleidungsstück ist nach wie vor − Jahrzehnt um Jahrzehnt − omnipräsent“, schrieb Daisy Shaw-Ellis 2023 in einem Artikel für Vanity Fair.

Das Konzept der ARIZONA folgte einem bewährten Rezept für die Schaffung von Stilikonen. Von den Chanel-Anzügen, die Frauen die Bewegungsfreiheit beim Ausgehen und Arbeiten gaben, bis hin zu den wetterfesten Burberry-Trenchcoats, die entstanden sind, um den harten britischen Wintern zu trotzen, hat die Geschichte gezeigt, dass Form und Funktion bei Kleidung, die den Zeitgeist prägt, oft Hand in Hand gehen.

34. GDS - Europäische Schuhmusterschau.

SANDALEN ALS SYMBOL

Die 1960er waren Jahre des gesellschaftlichen Umbruchs in Westdeutschland. Die junge Generation rebellierte gegen das „Establishment“ und protestierte gegen die sittenstrenge Sexualmoral. Bald schon wurde die Protestkultur durch einen bestimmten Kleidungsstil vereint, der sich provokativ von den vorherrschenden Modegewohnheiten abzuheben suchte. Vor allem Yves Saint Laurent fiel damit auf, als er 1967 seine ersten Hosenanzüge für Frauen vorstellte. Im selben Jahr wurden Mitglieder der Kommune 1 (Deutschlands erste linksradikale Kommune) fotografiert, wie sie in Sandalen vor dem Berliner Abgeordnetenhaus standen. Sie wurden zu ihrer Rolle bei den Protesten gegen den Besuch des Schahs von Persien in West-Berlin befragt. Die Wahl dieses informellen Schuhwerks schien dabei eine provokative Verhöhnung des Anlasses und der beteiligten Beamten zu sein.

Die Sandale wurde als „Schuh für alle“ angesehen, der es Männern und Frauen ermöglichte, sich von heteronormativen Kleidungskonzepten zu lösen. Das Design war schlicht und die für die Sandalen verwendeten Materialien enthielten weder die überwiegend für Damenschuhe verwendeten Verzierungen und Stoffe, noch das glatte, schwarze Leder, das traditionell für Herrenschuhe genutzt wird. Jahrzehnte später wurde der gegenkulturelle Stil von BIRKENSTOCK immer beliebter.

Seit die BIRKENSTOCK Sandalen 1992 in Australien auf den Markt kamen, gehören sie fest zum Kleidungsstil der queeren Community. Für die lesbische Gemeinschaft Australiens forderte das überaus praktische Schuhwerk des Unternehmens das Bild der weiblichen Ideale heraus, welche die Modebranche durch die Vermarktung von Röcken, Kleidern und High Heels an Frauen aufrechterhielt. „Sie sind der ultimative Anti-Modeschuh“, so Dr. Emily Brayshaw, ehrenamtliche Forschungsmitarbeiterin an der Fakultät für Design der Technischen Universität Sydney, gegenüber BIRKENSTOCK. „Welcher Schuh wäre besser geeignet, um dem Patriarchat in die Eier zu treten?“

Welcher Schuh wäre besser geeignet, um dem Patriarchat in die Eier zu treten?

Dr. Emily Brayshaw, ehrenamtliche Forschungsmitarbeiterin Mitarbeiterin der Technischen Universität Sydney

IM NAMEN DES KOMFORTS

BIRKENSTOCK x Jil Sander.

Als die Coronapandemie im Jahr 2020 ausbrach, führten Länder auf der ganzen Welt Lockdowns ein, so dass Millionen von Menschen gezwungen waren, daheim zu bleiben. Diese neue Realität veränderte grundlegend die Art und Weise, wie sich die Menschen kleideten. Komfort rückte nun an erste Stelle. Dank dieser Umstellung schossen die weltweiten Verkäufe von BIRKENSTOCK in die Höhe, während die ARIZONA Sandale zum beliebtesten Artikel auf der globalen Modesuchplattform Lyst avancierte. „Der bescheidene BIRKENSTOCK ist während der Quarantäne zum großen Gleichmacher in der Welt der Mode geworden“, schrieb Alice Newbold in der britischen Vogue.

Elephant at sunset
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